Steirische Jungbauern zeigen schwerwiegende Folgen für Bauernfamilien auf und fordern Änderung des Strafgesetzes
Seit Jahresbeginn häufen sich illegale Stalleinbrüche vor allem bei jungen Hofübernehmer:innen. Mit der Aktion „Stoppt Stalleinbrüche“ stellen sich erstmals 20 steirische Jungbäuer:innen der Öffentlichkeit und berichten über ihre eigenen Erfahrungen und fehlende Zukunftsperspektiven.
Kein Monat vergeht ohne eine neue Meldung einer Bäuerin oder eines Bauern, in deren Stall gewaltsam eingedrungen wurde, deren Hof und Stallgebäude ausspioniert und über Wochen hinweg ohne deren Wissen abgefilmt wurden. Branchenvertreter berichten von dutzenden gemeldeten Einbrüchen allein in diesem Jahr, die Dunkelziffer dürfte noch höher sein. Auffällig ist, dass vermehrt Betriebe von Jungbäuer:innen im Fokus standen. Diese finden entweder aufgebrochene Stalltüren, versteckte Kameras und Wanzen im Stall oder werden durch eingebrachte Anzeigen darauf aufmerksam, dass die ausspioniert wurden. Sofortige Überprüfungen der Betriebe durch Amtstierarzt, Polizei und Kontrollstelle Agrarmarkt Austria (AMA) bleiben allerdings regelmäßig ergebnislos. Was jedoch bleibt, ist eine große Verunsicherung der betroffenen Familien, Existenzängste und die Frage der Perspektive für den Hof. Zudem haben Betriebe mit Reputationsverlust, medialer Rufschädigung und sinkenden Verkaufszahlen zu kämpfen.
„Ich möchte in einen Tierwohlstall mit Strohhaltung investieren, bin aber zunehmend verunsichert. Denn bei solch radikalen Methoden der Aktivisten weiß ich nicht, ob ich mir die Tierhaltung künftig noch antun will. Es kann nicht sein, dass junge, motivierte Tierhalter rigoros ausspioniert werden und man rechtlich nichts dagegen tun kann.“
Mit diesen Worten wandte sich ein 30-jähriger Schweinehalter aus der Steiermark an die Steirischen Jungbauern. Zum Schutz seiner Familie möchte er anonym bleiben.
Einige von ihnen wurden selbst Opfer eines Stalleinbruchs. Andere teilen ihre Sorge, selbst irgendwann von radikalen Aktivisten und deren Überwachungsmethoden aufgesucht zu werden. Aus Angst vor möglichen Folgen für Familie und Betrieb möchten sie alle anonym bleiben.
Spionage-Methoden werden radikaler
Die Jungbäuer:innen prangern radikale Spionage-Methoden an: Aktivisten, vermummt und mit teils abgeklebten Fingerkuppen, verschaffen sich illegal Zugang zu Ställen auf familiengeführten Betrieben und brechen dabei Fenster und Türen auf. Sie setzen auch Drohnen ein, um Hofgelände und Stallungen auszuspionieren. Wochenlang wird Bild-, Ton- und Videomaterial angefertigt, bis eine gewünschte Videosequenz auf Band ist. Das Videomaterial wird entsprechend bearbeitet und zurechtgeschnitten, um es dann zu einem passenden Zeitpunkt den Medien zuzuspielen. Geknüpft sind diese „Aufdeckergeschichten“ meist mit dem Appell der Organisation, „für Tierschutz“ zu spenden. Auffällig ist, dass bei vielen Fällen zwischen dem Zeitpunkt der Videoaufnahmen und dem Zeitpunkt der medialen Veröffentlichung des „Beweismaterials“ inklusive einer Anzeige bei der zuständigen Behörde meist mehrere Tage oder sogar Wochen liegen.
Drei Fälle junger Hofübernehmer:innen aus der Steiermark
Fall 1: „Mein Vater und ich haben aufgehört, beim Füttern der Tiere miteinander zu reden – aus Angst, abgehört zu werden“, so ein junger Schweinemäster, bei dem Aktivisten dieses Jahr in den Stall eingebrochen sind. „Zuhause ist unsere Familie seit dem Einbruch permanent angespannt. Ob wir unseren neuen Tierwohlstall jetzt bauen, muss ich mir nach diesem Erlebnis gut überlegen“, so der Steirer.
Fall 2: Ein Junglandwirt mit Mutterkuhhaltung, der einen der letzten Betriebe direkt im Stadtkern betreibt, das Fleisch selbst verarbeitet und im Hofladen verkauft, äußert sich nach einer eingegangenen Anzeige: „Seit dieser Anzeige, die sich herumgesprochen hat, steht unser Ruf auf dem Spiel und ich verliere Kunden. Dabei haben wir nichts zu verbergen: Durch die ständige Auslaufmöglichkeit der Tiere auf unserer Weide und die Direktvermarktung wirtschaften wir nachhaltiger als viele andere Betriebe. Wir überlegen uns wirklich, ob wir den ganzen Aufwand am Betrieb nicht sein lassen und aufhören sollen.“
Fall 3: Eine junge Milchbäuerin, die ihren Hof bereits übernommen hat und noch nicht von Einbrüchen betroffen war, berichtet über Mobbing der eigenen Kinder in der Schule. Aufgrund unsachlicher Berichterstattung in den Medien werden ihre Kinder pauschal als Tierquäler bezeichnet. Es genügt offenbar die Tatsache, dass die Familie Milchkühe hält.
Extremfall: Zu einem der radikalsten und tierquälerischsten Einbrüche kam es im März dieses Jahres, als Unbekannte in der Nacht in einen Schweinestall eingedrungen sind, die Alarmanlage der Lüftung außer Gefecht setzten und mit Holzlatten die Lüftung der Stallung blockierten. Mehr als 60 Schweine verendeten qualvoll durch Ersticken.
Spendenlukrierung wichtiger als Tierschutz?
Diese radikalen Aktionen sind nicht im Sinne des Tierschutzes. Vielmehr wird damit mediale Aufmerksamkeit generiert, um folgend Spenden für einen Verein zu sammeln. Zurück bleiben Bauernfamilien, die mit den psychischen Folgen zu kämpfen haben, deren Ruf geschädigt wird und deren Kinder in der Schule gehänselt werden, verweist ein weiteres Vorstandsmitglied auch auf die hohe Dunkelziffer von über 20 betroffenen Schweinebetrieben allein seit Jahresbeginn. Zudem sind Stalleinbrüche auch ein Risiko in puncto Tiergesundheit. Betreten betriebsfremde Personen Geflügel- oder Schweineställe, kann dies negative Folgen für die Tiere haben. Mit dem Eindringen wird etwa das Risiko auf Einschleppung der „Vogelgrippe“ in Geflügelbetrieben oder der „Afrikanischen Schweinepest“ in Schweineställen erhöht. Speziell wenn sich Aktivisten den Stallungen über Wälder und Böschungen nähern, ist das Risiko sehr hoch.
Änderung des §109 des Strafgesetzbuches gefordert
„Aktivisten sind von ihren Organisationen geschult und wissen genau, wie sie sich zu verhalten haben, um einer Strafe zu entkommen“, sagt Bernd Brodtrager, Obmann der Steirischen Jungbauern. Neben den Maskierungen werden von den Einbrechern Ausweisdokumente bewusst zuhause gelassen, um einer Feststellung der Identität zu entgehen. „Die aktuelle Gesetzeslage in Österreich weist leider noch Lücken auf: Ertappt die Polizei Aktivisten auf frischer Tat und kann ihre Identität nicht feststellen, so müssen die Täter aufgrund einer möglichen Freiheitsberaubung nach österreichischem Recht laufen gelassen werden“, führt Brodtrager aus. Zudem zählt ein Stalleinbruch – im Gegensatz zu Deutschland oder der Schweiz – nicht zum Tatbestand Hausfriedensbruch, da das Stallgebäude nicht dem Wohnhaus zugerechnet wird. Die Steirischen Jungbauern fordern deshalb mehr Sicherheit für Familie und Tiere auf ihren landwirtschaftlichen Betrieben durch eine Änderung des §109 des Strafgesetzbuches. Aktivisten, die gewaltsam und somit illegal in Stallungen eindringen, sollen bestraft werden können.
Im Einzelfall helfen statt pauschal verurteilen
„Helfen sie uns, schwarze Schafe zu finden und diese an die zuständige Kontrollstelle oder den Tierarzt zu melden, anstatt Tierhalter pauschal zu verurteilen. Tierschutz ist ein berechtigtes Anliegen unserer Gesellschaft. Es rechtfertigt jedoch nicht das gewaltvolle Eindringen in Stallungen, das mit Risiken für die Tiergesundheit und psychischen Folgen für die Familien verbunden sind. Es ist wichtig, die für betroffene Familien teils traumatisierenden Erlebnisse öffentlich aufzuzeigen. Einige Betroffene im Veterinär- und Verwaltungswesen sind diesen Schritt bereits gegangen und haben die Aktionen und Methoden radikaler Aktivisten öffentlich und mittels Gutachten infrage gestellt“, so Brodtrager.