Mit der Zustimmung zum höchst umstrittenen EU-Renaturierungsgesetz handelte Umweltministerin Gewessler nicht nur verfassungswidrig. Sie beschert der jungen Generation im ländlichen Raum Unsicherheit und eine Flut an Bürokratie.
„Seitens der Österreichischen Jungbauern würden wir grundsätzlich ein übergeordnetes Ziel, gesunde und intakte Ökosysteme zu erhalten, voll und ganz unterstützen. Aber die aktuellen Inhalte des Renaturierungsgesetzes sind entweder für unsere Betriebe überbordend oder so unpräzise formuliert, dass eine Zustimmung aus Praxissicht schwer möglich ist. Es gibt keine klaren Aussagen, was mit diesem Gesetz auf uns zukommt“, so die Bundesobfrau der Jungbauern, Carina Reiter. Bernd Brodtrager, Obmann der Steirischen Jungbauern, fasst die Folgen dieser Zustimmung so zusammen: „Das Gesetz ist gut gemeint, aber sehr schlecht gemacht. Die Konsequenz daraus ist, dass Land- und Forstwirte mit immer mehr Bürokratie überfordert sein werden und ihre Betriebe aufgeben könnten, da immer mehr Nachweise und Berichterstattungen verlangt werden. Dass zudem eine Umweltministerin aus ideologischen Gründen eine so weitläufige Entscheidung über die Köpfe der Beteiligten hinweg trifft, ist nicht nur verantwortungslos, sondern demokratiepolitisch wirklich gefährlich. Ihre Aufgabe ist nicht, aktivistisch zu handeln, sondern in Brüssel die besten Lösungen für unser Land zu erreichen“.
Vier Punkte, die für die Jungbauern kritisch zu sehen sind:
- Ein ernst gemeintes Einbinden der direkt Betroffenen, nämlich der Land- und Forstwirte, hat nicht stattgefunden. Von Anfang an wurden die wesentlichen Gegenargumente aus Sicht der Land- und Forstwirtschaft weder gehört, noch in den Inhalten der Verordnung berücksichtigt.
- Es bestehen zum Zeitpunkt des Beschlusses viele Unklarheiten, was die ordnungsgemäße Umsetzung auf Länder- oder Betriebsebene, die Verhältnismäßigkeit oder etwa die Finanzierung betrifft. Hinzu kommt die Möglichkeit der Kommission, einseitige Gesetzesänderungen über sog. „delegierte Rechtsakte“ durchzuführen.
- Es gibt keine Rechtssicherheit, dass bereits geleistete Umweltmaßnahmen angerechnet werden: Seien es Renaturierungsmaßnahmen rund um Seen und Flüsse, die 230.000 Hektar Natur- und Biodiversitätsflächen auf landwirtschaftlichen Flächen oder die nachweisbar nachhaltige Waldbewirtschaftung in unseren Wäldern.
- Mit diesem Gesetz droht eine weitere Flut an neuen Regeln und Berichterstattungen, die von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben erbracht und von Behörden geprüft werden muss.
Was das Gesetz für die Praxis bedeuten könnte
Ausgewählte Beispiele dazu: Künftig sollen Forstwirtinnen und Forstwirte auf ihren Flächen einen bestimmten Anteil stehendes und liegendes Totholz im Wald belassen, dieses statistisch festhalten und zudem strenge Aufzeichnungen führen. „Die 144.000 Kleinwaldbesitzer werden sich wohl fragen, ob die Waldbewirtschaftung in Zukunft noch Sinn macht“, so Reiter. Ein weiteres Beispiel: „In ackerbaugeprägten, fruchtbaren Tallagen sollen durch die Entfernung von Drainagen Äcker wiedervernässt werden. Zwar ist eine Enteignung erstmal vom Tisch, die Mitgliedsstaaten müssen jedoch für die Zielerreichung Flächen aufbringen. Dies könnte letztendlich doch dazu führen, dass die landwirtschaftliche Produktion eingeschränkt und somit die Versorgung mit Lebensmitteln reduziert wird.“
Brodtrager ist enttäuscht, dass die Bedenken der bäuerlichen Berufsgruppe keinen Anklang fanden und die hauptbetroffenen Berufsgruppe ignoriert wurde: „Es tut weh, wenn auf die junge Generation und deren Bedürfnis im ländlichen Raum wirtschaften zu können, keine Rücksicht genommen wird. Uns fehlt die Planungssicherheit, um auch in Zukunft unsere Höfe bewirtschaften zu können.“
Was Österreich bereits für den Natur- und Umweltschutz macht
Bestehende Gesetze in Österreich decken bereits Natur- und Umweltschutz in einem breiten Rahmen ab: Über 80% der landwirtschaftlichen Betriebe nehmen freiwillig an Umweltmaßnahmen im ÖPUL teil, über 10% der Agrarflächen (230.000 ha) sind bereits Biodiversitäts- und Naturschutzflächen, über 200 Mio. Euro sind seitens des Bundes für die Gewässerökologie zur Verfügung gestellt worden, 124 Mio. Euro im Jahr 2024 für Hochwasserschutzprojekte und in der kürzlich erstellten Bodenschutzstrategie sind die darin enthaltenen Maßnahmen für das 2,5 ha-Ziel fertig ausgearbeitet. Das Netzwerk der Natura 2000 umfasst in Österreich bereits 350 Gebiete mit einem Bundesflächenanteil von 16%. Auf die Steiermark bezogen nehmen die Natura 2000-Gebiete sogar 46% der Landesfläche ein. Zudem ist Österreich gemessen an der Zahl der Bewirtschafter auch in der Bio-Landwirtschaft Europameister.
Lieber Bernd!
Ich verstehe, dass man unvollständigen Infos zu diesem Vorhaben nicht ganz zustimmen kann, aber was ich nicht verstehe, dass die Vertretung der Bauern so undifferenziert auf dieses Vorhaben reagiert. Soweit ich es verstanden habe, können die Länder ihre Räume der Renaturierung selber bestimmen, also müsste unserer Regierung den Bauern sagen, was zu tun ist. Damit kann man den schwarzen Peter nicht mehr nach Brüssel schicken.
Vieles, was du als Gegen-Argument bringst, scheint mir im Gesetz doch für die Länder möglich zu sein. Auch der Hinweis, dass Bauern nicht genug eingebunden waren, liegt aber in meinen Augen an der Vertretung der Bauern, denn dass dieses Gesetz kommt, ist schon sehr lange bekannt und da ist die gewählte4 Vertretung am Zug.
Dennoch wünsche ich dir eine gute Zeit in deiner Position und gute Entscheidungen für Bauern und alle anderen auch!
Norbert
Lieber Norbert,
danke dir für deine Rückmeldung!
Die RenaturierungsVO ist ein komplexes Gesetz mit definierten Zielsetzungen, aber mit wenig konkreter Aussagekraft, was die Umsetzung der Maßnahmen betrifft, um die Zielsetzungen zu erreichen. Ja, die EU-Kommission räumt den Mitgliedsstaaten darin Spielräume in der Umsetzung ein. Die Staaten haben eine sogenannte Berichterstattungspflicht der Kommission gegenüber. Für eine Berichterstattung braucht es Daten und diese müssten mit ziemlicher Sicherheit von den Bewirtschaftern erhoben werden. Nur ein Beispiel aus dem §10: Es werden 6 von 7 Indikatoren für Waldbewirtschafter zu erfüllen sein, wenn die Ziele erreicht werden sollen, u.a. die Aufzeichnungspflichten über a) Totholz liegend b) Totholz stehend c) Erhebung des Waldvogelindex d) Kohlenstoffvorräte etc. Es steht jedoch nicht im Gesetztestext, wie hoch die Anteile der Indices sein müssen (geht es hier Richtung Außer Nutzung-Stellung?) Der Landwirt müsste die Aufzeichnungen führen. Wenn nicht, dann müssen es Naturschutzbehörden oder andere machen. Fakt ist, letztendlich werden in Österreich rund 144.000 Kleinwaldbesitzer mit Aufzeichnungspflichten, Bewirtschaftungseinschränkungen und mit Beweisführungen belastet, wo letztendlich viele kleine Forstwirte sagen „Das mache ich nicht mehr mit“. Und mit einem Wald, der nicht bewirtschaftet wird, kann man keinen Klimaschutz betreiben. Im Acker- und Grünlandbereich trifft ähnliches zu.
Zudem geben wir nicht gewählten Organisationen (NGOs) enorme Einspruchsrechte und der Kommission die Möglichkeit, über sog. „delegierte Rechtsakte“ Initiative zu ergreifen und Nachbesserungen durchzuführen – das stimmt mich bedenklich. Das sind nur paar Inhalte des Gesetzestextes.
Was die undifferenzierte Betrachtungsweise betrifft: Ich gehe davon aus, dass nur eine Hand voll aller Befürworter (aber auch Gegner) der Verordnung den Gesetzestext überhaupt gelesen haben. Ich bin jedoch einer davon. Als ich die Aussagen von zwei befragten Landwirte gestern im Radio hörte, dann habe ich wahrgenommen, dass es keine fachliche Diskussion war, sondern eine Kundmachung über die Unzufriedenheit in Bezug auf deren Interessensvertretung. Das ist aber mit Abstand nicht die Meinung der meisten Bäuerinnen und Bauern. Diese wiederum versuchen Landwirtschaftsminister Totschnig oder die Landwirtschaftskammer Österreich als gesetzliche Interessenvertretung, aber auch der Österreichische Bauernbund mit mehr als 236.000 Bauernbund-Mitgliedern bestmöglich wiederzugeben. Unterschiedliche Meinungen gibt es, es wäre nur mein Wunsch als Jungbauer, dass sich diese in der fachlichen Diskussion wiederfinden und nicht in einem politischen Gepolter im öffentlichen Rundfunk.
Was die bäuerliche Vertretung betrifft: In Brüssel werden Gesetze großteils so beschlossen, dass die Kommission einen Gesetzesvorschlag macht und dem Parlament sowie dem Rat zur Diskussion stellt. Im Parlament hat die Europäische Volkspartei keine Mehrheit, und schon gar nicht bei der bäuerlichen VertreterInnen. Für Mehrheiten im EP braucht es bis zu vier Fraktionen. Aber: Als Bewirtschafter von Grund und Boden sind wir jene, die von der RenaturierungsVO direkt betroffen sind. Wären wir gegen Maßnahmen für den Umwelt- und Naturschutz, hätten wir noch nicht bis dato
– 85.000 Betriebe, die an Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen teilnehmen (= 80%)
– 230.000 ha (!) Biodiversitäts- und Naturschutzflächen auf Äckern und Wiesen (> 10% der Flächen)
– eine kleinbäuerliche Struktur, die Wälder nachweislich nachhaltig bewirtschaften (mehr nachwachsendes Holz als entnommenes)
– 350 Natura 2000-Gebiete in Österreich usw.
Mein Wunsch wäre gewesen, dass wir im politischen Prozess als direkt Betroffene besser gehört geworden werden, die Anrechenbarkeiten unserer vielfältigen Leistungen mitberücksichtigt worden wäre und ein Gesetzestext entstanden wäre, der uns durch gezielte und klare Maßnahmen eine Richtung vorgibt, anstatt immer mehr Unsicherheiten in unsere bäuerliche Arbeit zu bringen. Wir Jungbauern brauchen Perspektiven und Planungssicherheit, um (oft riskante) Schritte in die Zukunft zu wagen. Aber diese Verordnung bringt leider mit der Beschlussfassung letzter Woche Gegenteiliges zutage.
Beste Grüße,
Bernd